Hier kommt ein kleiner Leitfaden durch den Rindfleisch-Dschungel
Wer Radio hört, Fernsehen guckt, oder die Werbebroschüren in Zeitungen liest, dem wird immer wieder deutsches Jungbullen-Fleisch angepriesen. Suggeriert werden dabei natürlich junge, gesunde und kräftige, muskulöse Tiere, eben gute deutsche Qualität - aber ist das auch so?
Grundsätzlich unterscheidet man bei Rinderrassen in reine Fleischrassen und milchbetonte und Zweinutzungsrassen.
Bei Fleischrassen steht, wie der Name schon sagt, das Fleisch im Vordergrund. Diese Tiere werden mit dem eindeutigen Ziel sie zu schlachten gezüchtet. Solche Tieren haben durchschnittlich eine größere Muskulatur mit feineren Fleischfasern bzw. einer besseren Fleischstruktur. Sie entwickeln mehr intermuskuläres Fett (zwischen einzelnen Muskelpartien) sowie mehr intramuskuläres Fett (im Muskelgewebe eingelagert).
Meist entwickeln Rinder aus Fleischrassen auch einen besseren oder intensiveren Rindfleischgeschmack.
Bekannte Fleischrassen sind Red Angus, Black Angus, Limousin, Charolais, Galloway, Hereford, Blonde d'Aquitaine, Uckermärker oder Wagyu
Im Gegensatz dazu gibt es milchbetonte Rassen, also Rinder die gezüchtet werden um besonders viel Milch zu geben. Hierzu zählen Schwarzbunte und Rotbunte Rinder, wie wir sie hauptsächlich auf hiesigen Weiden haben.
Zweinutzungsrassen bilden demnach einen Kompromiss, sie sollen dazu in der Lage sein viel Milch zu geben, dabei aber auch eine schöne Fleischqualität und Masse zu bilden. Hier wäre ebenfalls das Fleckvieh, aber auch Gelbvieh und zB Glanrind zu nennen.
Man kann hieraus schon erkennen, dass die Bezeichnung "deutscher Jungbulle" erst einmal keinerlei Aussage über die Qualität zulässt. Hierunter können Tiere aller drei Kategorien fallen.
Um sich eine Meinung zu bilden, muss man wissen, dass in Deutschland hauptsächlich milchbetone und Zweinutzungsrassen gezüchtet werden. Das bedeutet auch, dass der größte Teil der deutschen Landwirte eher auf die Milch- als auf die Fleischproduktion hin ausgerichtet ist. Schlachten lässt wohl jeder Landwirt, aber das Hauptaugenmerk liegt eben auf der Milch.
Wenn jetzt ein Bulle geboren wird, kommt dieser meist schon nach 14-18 Monaten zur Schlachtung. Aufgrund der Rasse lassen sich oftmals keine hohen Fleischpreise erzielen und ein früher Schlachttermin ist wirtschaftlicher, da er Futter und somit auch Geld spart.
Ein solcher Jungbulle kann in der Zeit aber kaum Muskulatur und Fett aufbauen. Die resultierende Fleischqualität muss daher zwar nicht schlecht sein, von hoher Qualität kann aber auch nicht gesprochen werden. Es wird aber sicherlich auch immer positive Ausnahmen geben.
Kommen wir jetzt einmal zum Färsenfleisch. Als Färse werden erwachsene, weibliche Tiere bezeichnet. Hinsichtlich der Rasse mag es erst einmal keinen Unterschied zum Jungbullen geben, aber das Geschlecht macht schon etwas aus. Weibliche Tiere entwickeln die Muskulatur etwas langsamer, haben dabei aber aufgrund der Hormone eine andere Fleischstruktur. Außerdem hat das Fleisch weiblicher Tiere einen höheren Fettgehalt - somit auch mehr des wertvollen intramuskulären Fetts.
Ein kurzer Vergleich mit dem Menschensei erlaubt, denn schließlich gehören wir ebenso wie die Rinder zu den Säugetieren. Der BMI (Body Mass Index), ein Indikator für Körperfett, darf bei einer gesunden Frau höher sein, als bei einem Mann.
Mir persönlich ist aber auch Regionalität wichtig und das Vertrauen, dass die Tiere gut gehalten wurden, möglichst mit ausreichenden Weidezeiten und kurzen Transportwegen. Daher ist der größte Teil des Rindfleisches, welches ich verarbeite Färsenfleisch aus regionaler Zucht.
Ab und zu darf es natürlich auch einmal ein Stück aus den USA oder Irland sein, aber in Maßen.
Resumee
Man sollte beim Kauf von Rindfleisch also entweder darauf achten, dass man ausgewiesene Fleischrassen bekommt, wobei es natürlich auch innerhalb der Fleischrasen Unterschiede gibt, was hier aber zu weit führen würde, oder man greift zum Färsenfleisch.
Wir haben hier in Deutschland wirklich gutes Rindfleisch, allerdings nicht das, was uns die großen Erzeuger, Discounter und Supermärkte gerne mit dem deutschen Jungbullen vorgaukeln wollen.